Los Topos ist ein interaktives Stadtentwicklungsdrama von Club Real und Peanutz-Architekten, dass für Berlin Marzahn und Halle an der Saale entwicklet wurde. Es wurde (bis auf einen Film) bis jetzt noch nicht realisiert.

Die Grube
Einer der projektierten Orte, die ungenutzte Baugrube liegt im Zentrum von Halle, zwischen dem Platz „Am Hallmarkt“ und dem Areal des MDR. Die stellenweise 9m tiefe Grube umfasst eine Fläche von ca. 5000 m2 und liegt infolge eines gescheiterten Bauprojektes seit Jahren still. Der Name „Hall“ ist keltischen Ursprungs und bezeichnet einen Ort der Salzbereitung. Die reichen Solevorkommen trugen zur Ansiedlung und Entwicklung der Stadt Halle bei. Der Hallmarkt gilt als Ursprung der Stadt. Vor mehr als tausend Jahren befanden sich dort bereits erste Siedeanlagen. Die „Halle“ war ein Gelände, auf dem das „Hall“, das Salz, gewonnen wurde. Hier schlug einst das wirtschaftliche Herz Halles. 1868 wurde die alte Saline auf der „Halle“ stillgelegt. Die leere Baugrube liegt also an einem Ort, der als Salzabbaugebiet für das Wachstum der Stadt maßgeblich war. Er wird heute als Zeichen von Stagnation und Schrumpfung wahrgenommen.

Konzept und Architektur
Die Transformationsprozesse finden in Halle nicht nur am Stadtrand oder in der Neustadt statt, sondern auch mitten im Herzen, am Ursprung. „Los Topos“ kommt ins historische Zentrum, um dort am Entstehungsort, Gründermythen zu erforschen und im Spannungsfeld zwischen urban und antiurban zu inszenieren. Im Rahmen einer architektonischen und dramatischen Installation in der stillgelegten Baugrube soll ein Impuls für die Wahrnehmung urbaner Veränderungen und Aufbruchsbewegungen gegeben werden. Die Grube wird zum Schauplatz eines Pionierdramas mit widerstreitenden Ideen zur Nutzung von Standortressourcen und den damit einhergehenden weltanschaulichen Konzepten. Die Konfrontation von Nutzungskonzepten wie Landwirtschaft, Bergbau und Jagd, mit erhofften innerstädtischen Investitionsprojekten wird durch die Erzählform Familiendrama anschaulich. Los Topos ist ein Theaterstück und eine sich durch Akteure und Publikum stetig verändernde experimentelle Landschaft. Die Besucher werden durch Interaktion mit mehreren Darstellern von Anfang an auf unterschiedliche Weise in den Raum und die Erzählung eingebunden. Durch die Bewegung des Publikums in der Baugrube und durch die Räume entsteht der Wechsel der Szenerie, der Arbeitsgewohnheiten, sowie der Zeitebenen im Leben der Protagonisten.

Pionierdrama
Thema des Dramas ist der Typus des Pioniers, seine Weltanschauung und die ihm eigenen Erfolge und Katastrophen. Im 19. Jh. hat der Begriff Pionier einen Wandel von der militärischen Bedeutung des Wortes, zum Wegbereiter in wissenschaftlicher, ökonomischer oder gesellschaftspolitischer Hinsicht erfahren. Damit verknüpfte sich eine hoffnungsvolle und zum Teil unbekümmerte Aufbruchstimmung, die für einige neue Heimat, Reichtum und Identität und für andere Vertreibung, Ausbeutung und Tod nach sich zog. Los Topos erweckt die Idee des unbekümmerten Neuanfangs und der genügsamen bis rücksichtslosen Umgestaltung der Landschaft im Rahmen eines interaktiven Stadtentwicklungsdramas zum Leben und stellt sie in ihren vielfältigen Ausformungen dar.

Antiurbane Praktiken
Im Laufe der Arbeit an Los Topos wurden von Peanutz-Architekten und Club Real eine Palette an antiurbanen Praktiken entwickelt, die einerseits in der Grube in Halle zur Anwendung kommen, aber auch im Rahmen von „Los Topos“ in Marzahn. Aus verschiedenen Genres (Trapper, Wild West, Jagd, Religionsgründung, etc.) werden Praktiken extrahiert, die Vorbild für die Erfindung neuer Praktiken zur räumlichen Aneignung von „Leerräumen“ sind. Die Entwicklung von Praktiken ist natürlich nie abgeschlossen, sie werden in der Verwendung weiterentwickelt oder verworfen. Zur Zeit liegen in der Palette folgende Praktiken bereit: Gründung der Pionierstadt „Los Topos“. Die Teilnehmer an Los Topos erwerben die Nutzungsrechte für einen claim und wohnen für maximal 2 Wochen auf ihrer Fläche. Die Pioniere haben die Möglichkeit auf ihrem claim mit bereitgestellten Materialien und mit professioneller Beratung ihr Pionierhaus etc. zu bauen und ein Nutzungsprogramm zu entwickeln. Andere Praktiken sind der Kirchenwagen, der sowohl Kirche als auch Transportmittel ist, Jagdanimationen, die Fäkalienfarm, Urban Mining bzw. „Graben für Gott“ und verschiedene Formen der urbanen Landwirtschaft.

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